Montag, 26. September 2011

Ballett: Eiserne Disziplin und ein frühes Aus in der Karriere

Ein Traum in Rosa und Tüll

Das Ballett lockt viele Mädchen als Traumberuf - nur wenige schaffen es bis zum Profi

Kleine Mädchen sind häufig vom feengleichen Spitzentanz in Tüll fasziniert und wollen Ballerina werden. Ehrgeizige Eltern fahren die Mini-Elevinnen zum Ballettunterticht und hoffen auf eine Karriere als Primaballerina. Doch der Weg dorthin ist hart, und das Training erfordert eiserne Disziplin und  viel Talent. Ein Star der Szene ist derzeit die junge Russin Polina Semionova, die von Vladimir Malakhov (Berliner Ballettchef) entdeckt wurde. Mit 17 Jahren holte er sie direkt nach ihrer Ausbildung als Erste Solotänzerin nach Berlin. Eine Ausnahme in der Branche. Es gab nicht nur Freude, sondern auch Neider, die die Russin "Baby-Ballerina" nannten. Ihr Aufstieg war eben kometenhaft und ungewöhnlich schnell im Vergleich zu der sonst üblichen Ochsentour. Doch von nichts kommt nichts. Polina Semionova trainiert rund sieben Stunden täglich.
Ein anderer Star ist die mittlerweile Mitte 30jährige Lisa-Maree Cullum, die in München die Tatjana und die Olga in "Onegin" sowie die Louise in John Neumeiers "Nussknacker" tanzte. Sie gastierte schon in St. Petersburg, Mailand und Rom und legte eine steile Karriere hin. Sie ist mit 49 Kilo bei 1,64m schlank, aber nicht dürr. Auch Männer tanzen im Ballett. Einer der größten seines Faches war der Russe Rudolf Chametowitsch Nurejew. Noch heute gilt er als Legende und als bester Tänzer des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu den anderen Spitzentänzern begann er seine tänzerische Laufbahn sehr spät im "hohen" Alter von 17 Jahren in Leningrad. Doch er war sehr hartnäckig und extrem talentiert. 1961 floh er in den Westen nach Frankreich. Er tanzte unter anderem den Siegfried in "Schwanensee". Herausragend war seine Nussknacker-Produktion für das Royal Opera House 1968 mit Merle Park. 1964 kam er nach Wien und wurde Mitglied des Wiener Staatsopernballetts. 1983 avancierte Nurejew zum Direktor des Pariser Opernballetts. 1993 starb er in Paris an den Folgen von HIV.
Viele Karrieren enden unglücklich. So wie die von TV-Entertainerin und Buchautorin Sonya Kraus. Sie begann mit vier Jahren beim Kinderballett, wo die kleine Kraus mit großer Begeisterung im Tutu herumhüpfte. Im Verein wurde sie die Beste und mit sieben Jahren schaffte sie die Aufnameprüfung am Konservatorium der Musikhochschule. Sie sah sich schon als große Primaballerina, doch dann kam die Pupertät. Sonya Kraus schoss in die Höhe, wurde immer größer, was im Model-Business ideal ist, im Ballett aber eine Katastrophe. Die Idealgröße einer klassischen russischen Ballerina liegt bei 1,62m, denn sie muss ja vom Partner gehoben werden können. Sonya Kraus hingegen steuerte auf die 1,80m zu. Nicht nur das. Beim Vortanzen machte sie beim Pas de Bourrée unter den gestrengen Augen von Madame Constantiné Fehler und versagte. Eine Welt brach für sie zusammen und ihr Traum vom Tanzen war beendet. Nur als Hobby wollte sie nicht weiter tanzen. Und das Training in Spitzenschuhen hatte noch andere, unschöne Folgen. Der Nagel des großen Zehs war nur noch ein Dreieck, der des kleinen Zehs war nicht mehr vorhanden und überall hatte sich an den geschundenen Füßen Hornhaut breit gemacht. Nach diesem Desaster kam ihr der Zufall zu Hilfe. Sie wurde entdeckt und mit 15 Jahren Model. Durch das Ballett profitierte sie von ihrer Körperbeherrschung, der Disziplin und der Beweglichkeit.
Foto: (c) Corinna S. Heyn Ballett nach einer Choreographie von Alexandra Schatton mit Minis wie ihrer Tochter Maria-Sophia.
Es geht aber auch ganz anders. Alexandra Schatton begann ebenfalls mit vier Jahren bei ihrer Mutter Sieghilde, die Bühnentänzerin ist, Ballettunterricht zu nehmen. Schon die Urgroßmutter war Balletttänzerin. "Die Disziplin ist das Schwerste. Viele Jahre gibt es keinen Erfolg. Die Übungen müssen laufend wiederholt werden", erzählt die blonde 43jährige mit dem mädchenhaften Charme. Alexandra Schatton absolvierte in der Schweiz in St. Gallen ihre Ausbildung zur Berufstänzerin. Sie ging sogar mit der Junior Company auf Tournee nach Argentinien, Brasilien und Paraguay. Doch dann wurde sie mit ihrem ersten Kind schwanger. Mit Lazaro war die Bühnenkarriere beendet. Alexandra Schatton, die ihre blonden Haare fast ausschließlich zum Dutt frisiert, nahm es nicht tragisch. Da sie keine Anstellung fand, machte sie sich mit einer Ballettschule für Kinder und Jugendliche am Stadttheater Konstanz selbständig. Sie unterrichtet mit viel Feingefühl Mädchen ab vier bis zu den Teenagern und choreographiert gemeinsam mit ihrer Mutter, die ebenfalls in ihrer Schule Ballettstunden gibt, Auftritte. Bei denen verzückte sogar die jüngste Tochter Maria-Sophia als Vierjährige als Minischmetterling das Publikum. Tochter Eliana tanzte ebenfalls unter der Leitung der Mama öffentlich und arbeitete an der Choreographie mit. Sie machte in Zürich eine Ausbildung zur Profitänzerin, worauf Alexandra Schatton sehr stolz ist. Aber sie sagt auch: "Was so federleicht aussieht, ist harte Arbeit. Bis die Mädchen auf Spitzen tanzen können, muss erst die Muskulatur voll aus ausgebildet sein. Bei manchen ist das mit 11, 12 Jahren so, bei anderen, zarten Kindern noch nicht einmal mit 13."
Wer Talent hat und sein Glück probieren will, kann sich an eine Ballettschule wenden. Einen sehr guten Ruf hat zum Beispiel die Ballettschule Hamburg John Neumeier, die von ihm 1978 nach dem Vorbild von Stuttgart ins Leben gerufen wurde. John Cranko hatte die Stuttgarter Ballettschule gegründet, als er 1961 nach Stuttgart kam.  Neumeier wurde in den USA geboren. Er lernte Ballett unter anderem an der Royal Ballet School London. Neumeier machte seinen Bachelor of Arts. Seine Neudeutung von "Romeo und Julia" und dem "Nussknacker" gelten als einmalig. 2007 erhielt er den Herbert-von-Karajan-Musikpreis.
© Corinna S. Heyn


Adressen:
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